Der Junge und der Reiher

Filmplakat: Der Junge und der Reiher

Ein typischer Miyazaki Anime denkt man zunächst: Zusammengewürfelte Motive und Themen aus vielen seiner alten Filme. Für uns ist es der rätselhafteste und braucht eine besondere Auseinandersetzung. Je länger man über DER JUNGE UND DER REIHER von Hayao Miyazaki nachdenkt, desto berühender und brillanter erscheint er.

Die Geschichte beginnt mit den frühen Erinnerungen des Regisseurs an den zweiten Weltkrieg. Bei einem Bombenangriff verliert die Hauptfigur seine Mutter in den Flammen.
Ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter zieht der 12-jährige Mahito mit seinem Vater von Tokio auf das ländliche Anwesen seiner Tante Natsuko. Er hat große Schwierigkeiten sich an sein neues Zuhause und an seine Stiefmutter zu gewöhnen. Zudem taucht auf einmal ein zwielichtiger Graureiher auf, der es scheinbar auf Mahito abgesehen hat. Als auf seltsame Weise seine Tante verschwindet, lockt ihn der Vogel in einen verbotenen Turm. So gelangt Mahito in eine surreale Parallelwelt, in der seine Mutter noch zu existieren scheint. Dort findet er tödliche Gefahren vor, aber auch treue Weggefährten.

Mahito, der Protagonist des Abenteuerfilms, ist ein schüchterner und höflicher Junge, der unter dem Tod seiner Mutter leidet. Dass sein Vater schon eine neue Lebensgefährtin gefunden hat, belastet ihn sehr. Doch als Natsuko verschwindet, stürzt sich Mahito todesmutig in die unbekannte Welt. Dort trifft er verschiedene Figuren, wie die junge Kiriko und das Feuermädchen Himi, die ihm mehrmals das Leben retten. Immer an Mahitos Seite ist auch der verlogene Graureiher mit menschlichen Zügen, der ihn durch die Traumwelt geleitet. Der Herrscher über die auf den ersten Blick friedlichen, dann aber geheimnisvollen und gefährlichen Welt, ist Mahitos Großonkel. Der grauhaarige Mann versucht einen würdigen Nachfolger für die Bewahrung seiner magischen Welt zu finden, denn er ist zu alt, um sie zu erhalten. Wie Mahito zu sich finden und nachdenken muss, was er tun wird, müssen wir über den Inhalt nachdenken.

Wir waren unmittelbar nach dem Film ziemlich verwirrt, weil die komplexe und sich beschleunigende Handlung wenig erklärt wird. Doch beim Diskutieren hat sich uns der Film immer mehr erschlossen und es hat Spaß gemacht, die einzelnen Puzzleteile der Handlung zu verbinden. Das Drama lässt große Interpretationsspielräume. So hat sich auch immer mehr Begeisterung für den Film und seine Liebe zum Detail entwickelt.

Miyazakis Kreativität spiegelt sich auch in der Animation wieder, die besonders bei Landschaften, der Darstellung des Feuers und der Architektur bemerkenswert schön und genau ist. Oft begegnen uns Motive aus älteren Filmen: Türen, die in andere Welten führen, gewaltige Tierschwärme, das Feuer, kleine märchenhafte Fabelwesen, die man sich sofort in die Gegenwart wünscht. In der ersten Nacht Mahitos in der Untenwelt schweben kleine, weiße Wara-Waras zur „Obenwelt“, die einen in der Anzahl und Größe an die Baumgeister aus PRINZESSIN MONONOKE erinnern lassen. Doch findet man auch an jeder Ecke neue Gestalten.

Sobald der Film endet, bekommt man das Gefühl, dass Hayao Miyazaki sich damit von uns verabschiedet hat. Er entspricht dem alten Mann im Film, der seine ins Wanken geratene Welt nicht mehr lange aufrecht erhalten kann. Das klingt wehmütig, macht aber auch Platz für etwas Neues. Uns bleibt ja die beruhigende Möglichkeit der Flucht in seine Filme und sein Universum - in eine Welt, in der so wichtige Themen wie Verlust, Abschied, Neuanfang, der Kreislauf des Lebens, Gleichgewicht und Umweltschutz verhandelt werden.

Wir empfehlen DER JUNGE UND DER REIHER ab 14 Jahren, da seine Geschichte komplex ist und an manchen Stellen sehr erschreckend. Etwas Hintergrundwissen zu Studio Ghibli, Hayao Miyazaki und Japans Rolle im zweiten Weltkrieg schadet nicht. Durch seine farbenfrohen und fantasieanregenden Bilder bleibt uns der Anime wohl für immer im Gedächtnis. Er inspiriert einen zu eigenen Ideen und ermutigt uns unsere Lebensziele umzusetzen.

surreal
deutungsreich
märchenhaft
bildgewaltig
komplex

Gattung:Animationsfilm
Regie:Hayao Miyazaki
Darsteller:Soma Santoki; Masaki Suda; Aimyon; Yoshino Kimura; Shōhei Hino; Ko Shibasaki; Takuya Kimura
Drehbuch:Hayao Miyazaki
Kamera:Atsushi Okui
Schnitt:Takeshi Seyama
Musik:Joe Hisaishi
Länge:124 Minuten
Kinostart:04.01.2024
Verleih:Wild Bunch
FSK:12
Elterninfos:Altersempfehlung der JFJ: Ergänzend zur gesetzlichen Altersfreigabe der Jugendschutz-Experten der FSK spricht die FBW-Jugend Filmjury Filmempfehlungen und Alterseinschätzungen aus. Damit geben die mit Kindern und Jugendlichen besetzten Jurys Hinweise, ab wann ein Film aus ihrer Sicht für das junge Publikum geeignet ist. Dies soll Eltern und Kindern bei der Auswahl altersgemäßer Filme helfen, als auch Orientierung geben hinsichtlich ihrer individuellen Ansprüche.

FSK: Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ist damit beauftragt, auf Basis des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) zu prüfen, für welche Altersstufen ein Film keine gefährdende Wirkung hat (0, 6, 12, 16 und 18 Jahren). Die FSK-Ausschüsse sprechen Freigaben nach der gesetzlichen Vorgabe aus, dass Filme und andere Trägermedien, die "geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen", nicht für ihre Altersstufe freigegeben werden dürfen (§ 14 Abs. 1 JuSchG).

FSK Website:fsk.de;
Visionkino:

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